Rote Wände, braunes Kunstlede...

Rote Wände, braunes Kunstleder, speckige Tischchen, im Fernsehen der Papst tonlos, neben den mit roten Lämpchen umzeunten Spiegel, traurige Aquarien an den Wänden.
Wir sitzen im Fumoir, Jamila und ich. Der Wirt mit lauter stimme, meinte die Visamaschine sei kaputt.
Jamila: „Einen Milchkaffee, bitte.“
Wirt: „Die Milchkuh ist ausserhaus.“
Jamila: „Bitte was?“
Wirt: „Aber Doppelrahm kann ich geben.“
Der Kaffee kam sogar mit dreifach Rahm.
Zwei alte Männer trinken Rotwein, reden über 'Die-dort-oben.'
Ein dritter sitzt an einem Spielautomat unter dem Fernseher, es pipst und klingelt. Über den Spiegel sieht man sein gleichgültiges Gesicht unter der weissen Mähne, welche zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden ist.

Ein Kollege von mir hat in dieser Kneipe mal Teile seiner Masterarbeit geschrieben. Das war vor einigen Jahren. Die Masterarbeit ist heute noch nicht fertig.
Es wäre falsch zu sagen, dass hier keine Zeit existiert. Es kommt einfach nicht darauf an, welche Zeit gerade ist. Trotzdem verrinnt die Zeit. Langsam wie einem scheint, aber wenn man die trüben Blicke der hier anwesenden Gäste erhascht, weiss man, dass man hier schnell altert.

Das Bild folgt...

„Komm, ich nehm dich an einen Unort mit.“
„Na gut. Warum nicht.“, ich bin gespannt, was Dave unter einem Unort versteht. Würde mich nicht wundern, wenn er mich in meine Stammkneipe schleppt.
Natürlich verschlägt es uns in den Zürcher Kreis 4. Wo Prostitution, Drogenhandel und Schlägereien zur Tagesordnung gehören. Ich fühle mich wohler an solchen Orten. Für mich ist das kein Unort. Eine Polizeistelle oder Meldeamt sind meiner Meinung nach unortlichere Orte als eine Kneipe. Aber gut. Nun bin ich hier. Im Fumoir der Lugano Bar. Ein abgedunkelter Raum mit roten Wänden, Sitzbänken aus Kunstleder, roten Lichterketten und zwei Aquarien (Die Fische leben sogar).

Dave schreibt wie ein Weltmeister und ich kann mich kaum noch ruhig halten. Wie herrlich es doch ist, Vollzeit-Alkoholikern beim diskutieren zuhören.

Ich bin etwas nervös. Das letzte Mal als ich hier war, war es Abend, es gab Bier und die Prostituierten hüpften herum. Dort waren alle Sorten von Menschen hier. Freier, natürlich, aber auch andere wie ich, die nur zu einem Bier an einen Ort wollten, wo man nicht schräg angeguckt wurde, wenn man sich am Mittag die Kebabsauce über die Jacke kleckern lassen hatte. Doch am Morgen, am Morgen sitzen nur noch die hier, welche vom Abend übrig gebliben sind. Welche die gar nicht erst hierher kamen, welche, die schon vorher hier waren.
Und diese Unehrlichkeit, dass ich hier bin und nicht ein Alkoholiker war oder wenn, dann nur so hobbymässig, diese macht mich etwas nevös den ehrlichen Gästen hier gegenüber. Ich fühle mich nicht wohl, dass ich an diesen Ort kam, welcher für diese Menschen vermutlich der Ort ist, an welchem sie den grössten Teil ihrer Zeit verbringen, dass ich an diesen Ort kam, um an einen 'Unort' zu kommen. Was bin ich für ein überhebliches Arschloch, diesen Ort als Unort zu bezeichnen?

Die Türe öffnet sich. Frische Luft dringt in den Dunst. Angenehm. Die Sonne scheint herein. Herein in dieses Loch. Beinahe eine freundliche Stimmung kommt auf. Ein Mann mit Schnurrbart erscheint im Hof und stellt einen Kasten Bier herein. Dann schliesst er die Tür wieder. Die Tristheit kehrt zurück.

Der Wirt kommt wieder zu uns, nicht um zu fragen, ob wir gefälligst noch etwas konsumieren wollen, nein, er fragte ob wir noch einmal Feuer brauchen. „Nett, ne?“, meint Jamila. Ich nicke.

Schnell altern tut man auch ausserhalb des Fumoirs... In 5min. im Stehen ein Bier trinken das kann er, der grauhaarige Biertrinker.

Jetzt ein junger Mann im grauen Anzug, fingert am Handy herum, steht an der Bar. Davor hunderte Vorbeigehender.

Der Grauanzügige geht, ohne Bestellung...

Patrick Loser wird erwartet, das hofft er zumindest. Der graue Anzug trägt er, wann immer er sie trifft. Kurz dachte er daran, am Bahnhof ein Bier zu trinken. Er entschied sich im letzten Moment dagegen. Sie mag den Biergeschmack nicht. Es bleibt noch eine Stunde. Er wird sie einweihen. Sie wollte es mit ihm tun. Kindern gegenüber ist sie nicht abgeneigt, vor allem Babies, aber sie grosszuziehen... Und Geld, Geld brauchte sie doch!

Patrick versucht sich an seine eigene Ma zu erinnern, sinnlos. Und sein Vater, na ja. Er greift nach dem Zigarettenpäckchen in seiner Jackentasche. Es muss rausgefallen sein. Verdammt nochmals.

Thailand. Warm+Billig! Das wärs. Vielleicht... Was aber, wenn...

Er atmet bewusst langsam. Gerade als er den Fussgängerstreifen beim Central überqueren will, hört er das Stimmchen. "Onkel Päätrick." Seine Nichte aus den Vereinigten Staaten, die bei seinem Bruder Joel auf Besuch ist. Sie guckt ihn an, als ob sie etwas gewonnen hätte.

Mein Internet funktioniert nicht richtig. Das von Dave geht. Also muss es an meinem technischen Hilfsmittel liegen, welches ich viel eher ein technisches Nicht-Hilfsmittel nennen sollte, denn es steht mir und meinen Plänen ständig im Wege.

Der Wirt öffnet die Hintertür.
"Ist der wahnsinnig?", frage ich mich. Meine Augen haben sich so gut an das Dunkel gewöhnt, das Tageslicht überfordert mich. Und frische Luft dringt ein. Ja, so langsam wird es wirklich ein Unort. Wenigstens werden wir nicht zum Trinken gedrängt. Wobei...

Ihr seid eingeladen, die Geschichte weiterzuschreiben... Gehe jetzt auf den Zug und guck später wieder rein! Hätte vielleicht ein neues Thema beginnen sollen? Oder mein Unort lässt sich mit Daves Unort verknüpfen....

Im Fernseher läuft Frauenfussball. Wie unortentlich.....

Das bin ich hier...


Damn. Schräg. Aber egal. Hier stört es niemand wenn man etwas schräg ist...

Ich glaub ich trink jetzt ein Bier. Muss mich schliesslich der Umgebung anpassen. Und wenn ich dann Dave und mich abgefüllt habe, schleppe ich uns zu einer Parteikonferenz der SVP. Und wenn wir da rausgeschmissen wurden, zerre ich uns in ein Polizeipresidium. Das wird dann unortentlich.

Frauenfussball derselbe Unort wie die AHG (Anonyme Häkel-Gruppe) für Männer?

„Was schreibt ihr denn da?“
Na was soll man jetzt sagen?
„Hat die Mensa an der Uni zu?“
„Nein, es ist nur gemütlich hier zu schreiben. Der Kollege schrieb hier seine Masterarbeit.“
„Kenn ich den?“
Ich nenne ihm en Namen.
„Ach!“, er winkt ab. „Kenn ich doch nicht!“
Der Typ hat eine Stimme, als hätte er zehn Pack Zigaretten am Stück geraucht, dann in einem Whiskeyfass übernachtet hätte und schlussendlich noch von einem Lastwagen überfahren worden wäre.

So langsam wird es gemütlich hier. Dave tippt, ich nippe an Bier und Zigarette und komme mit dem Wirth ins Plaudern. Die anderen Gäste bringen sich mit ein. Es herrscht eine angenehm süffisante Athmosphere.
Und was passt besser zu solch einem Zusammenkommen von wirren Seelen, als eine freundschaftliche Runde Schnaps? Der Typ mit Raucherstimme lädt ein. Ich bin froh drum, denn Geld hab ich natürlich nicht dabei. Dave beobachtet das Geschehen und flüstert mir zu: "Komm, du fühlst dich hier zu wohl, ich bring dich an die frische Luft."

War eine Sipincula im Aquarium?
Rol zeichnet gerade eine..., in ein paar Minuten online...

Mittagessen in der Sonne. Erinnert mich an den Techno-Schuppen“Rote Sonne“ in München.

Essen ist gut. Frauen anscheinend schon wieder käuflich.mit riieesen Brüsten....

Was ist eine sipinuka? Ist die giftig? Kann man die essen??

Go, where you've never been.

Der nächste Unort sollte einer sein, wo es auch etwas zu Essen gibt. Zum Beispiel ein 500 Gramm Cordon Bleue für 24 Stutz fünfzig. Restaurant Sonne. Auch an der Langstrasse.

Das Restaurant teilt sich in zwei Teile. Ein thailändischer Teil, wo das Essen thailändisch und die Bedienung thailändisch ist und ein schweizerischen Teil, wo das Essen schweizerisch und die Bedienung thailändisch ist. Am Tresen des schweizerischen Teil die üblichen alten Gesellen vor dem Weisswein, daneben die von Jamila bereits erwähnten Damen mit den grossen Brüsten. In der Nische Geschäftsmänner am Mittagessen und an den hohen Bistrotischen Studentinnen am Zeitung lesen. Hier treffen sich wirklich alle Arten von Menschen. Das Restaurant Sonne ist eigentlich gar kein Unort. Es sieht einfach so aus.

Jamila bestellt sich ein Tom Kah Gai und ich mir eine viel zu heisse Fertiglasagne mit einem halben Liter Rotwein abgeschmeckt. So hat es der Kellner auf jeden Fall verstanden. Glücklicherweise kriegt Jamila eine Wochenration des vorzüglichen Tom Kah Gai und somit kann ich Teile meiner Lasagne im Teller liegen lassen.

Mitagessen in der Sonne. Noch immer im Kreis 4.
Essen: gut. Kellnerin: vollbusig mit tiefem Dekoltee. Es fällt mir schwer, nicht hinzusehen. Zumal sie ihren Stift nach notieren der Bestellung in die Ritze steckte.
Im Fernsehen läuft N24, Obama steht vor einem blauen Fahnenmeer und hebt die Hände in die Höhe. Warum gibt es immer nur in Spelunken TV?
Ach, da ist sie wieder, die Wetterfrau. Schlank, gepflegt, in lila Kleidchen fliegt sie durch Regenwolken, Sonnenschein und Schneegestöber durch Europa.
Der Laden füllt sich. Ich kann es riechen. Die Damen, die hier eintreten, haben sich anscheinend zuvor in Parfum gebadet.
N24 zeigt die Verwesung einer Ratte im Schnelldurchlauf. "Ich muss hier raus jetzte."
Dave stimmt mir zu. Mal gucken, wo es als nächstes hingeht.

GOOOOO where you've never been...

GOOOOO where you've never been...

Dialog zwischen zwei Unort-Beobachtern:
J Was meinst du was ein Blowjob kostet? Etwa 100?
D Ne, das ist doch billiger.
J Weshalb ist Blowjob billiger als ficken?
D Na, weil erstens braucht die Nutte kein Zimmer zu bezahlen, zweitens muss sie sich nicht aus- und wieder anziehen.
J Weisst du eigentlich, dass blasen viel mer Arbeit ist als einfach nur sein Loch hinzuhalten?
D Aber es geht schneller!
J Nein, find ich nicht. Ausserdem kann man auch im Freien ficken.
D Also denkst du Blasen ist teurer?
J Ich denke, das ficken physikalisch für die Frau demütigender ist. Wobei wenn ich mir vorstelle, einen fremden Schwanz ins Gesicht gestossen zu bekommen.
D Okay, ja. Aber eine Prostituierte ist gegenüber solchen Dingen desensibilisiert, oder?
J Sollen wir eine fragen?
D Ne, lass uns weitergehen.
J Ok, lass uns weitergehen.

Jamila geht bezahlen. Wir suchen uns den nächsten Unort...

Wobei mooment; Noch schnell schauen, wie der Betrunkene in der Ecke rausgeworfen wird...
... oh, er hat sich beruhigt... Leider.

So we go where we have never been. An einen ganz unortlichen Ort.
Machen uns auf den weg zu dir, Martin