Unorte
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.

trainlovestory

Unorte :: Unorte :: Unorte

Nach unten

trainlovestory Empty trainlovestory

Beitrag  Laney W. Fr Nov 02, 2012 10:39 am

Die Frage, ob der Zug ein Unort für eine Liebesgeschichte ist, habe ich mir schon mal gestellt.

Zum Beispiel eine Zuggeschichte. Nun wie könnte die aussehen?
Zwei junge Menschen auf dem Weg irgendwohin. Wer weiss; er vielleicht nach Hause, weil er eigentlich woanders wohnt, als er studiert. Und dann das Mädchen. Vielleicht trifft sie eine alte Freundin aus ihrem Sprachaufenthalt, die sie nun seither nicht mehr gesehen hat und ihr unbedingt ihre wunderschöne Stadt zeigen will, die das Mädchen zwar kennt, aber schon seit Kindheit nicht mehr besucht hat. Nun eben, die Zwei im Zug, auf dem Weg irgendwohin.

Die Abteile sind nicht sehr besetzt, aber doch so, dass die Zweiteinsteiger sich irgendwo dazu setzen müssen. Der Junge sieht das hübsche Mädchen und denkt sich; „eine Fahrt gegenüber meines Beuteschemas? Warum nicht?“ Das Mädchen hat gehofft die ganze Reise alleine mit ihrem Buch in ihrem Abteil zu verbringen, aber der Junge stört sie in keinster Weise. Gut, das nehmen wir als Grundsituation. Wichtig bei einer solchen Geschichte ist der Auslöser zu einem Gespräch. Nicht leicht, wenn alle ihre Tickets haben, oder keine spezielle Durchsage über Verspätungen oder sonstige Komplikationen gemacht werden. Dann machen wir es halt einfacher und lassen die Flasche des Jungen voller Druck herumspritzen.

Das Mädchen also sucht in ihrer Tasche nach einem Taschentuch, doch der Junge, wie soll es auch anders sein, ist schneller und streckt ihr seines mit einem süssen Lächeln entgegen. Sie nimmt dankend an, er entschuldigt sich für die Sauerei. „Ist ja nur Wasser.“ würde sie entgegen, vorausgesetzt, es wäre Wasser. Sonst würde sie wütend das Abteil wechseln. Flecken auf ihrer Hose waren nämlich ein No-Go. Aber lassen wir es Wasser sein. In diesem Moment ist das Selbstbewusstsein des Jungen gefragt. Er muss ihr eine Frage stellen, nichts Doofes, nichts Voraussehendes und doch interessant und gerne zu beantworten. Fragen wie „fährst du auch nach blabla“, gingen da also gar nicht. Warum würde man sonst in einem IC mit nur einem Halt sitzen. Das müsste aber natürlich auch der Fall sein. Aber auch sonst wäre es eine sehr einfallslose Frage. Doch in unserem Fall stellt er eine tolle Frage, eine Frage, die das Mädchen zum lachen bringt und sie noch so gerne Antwort darauf gibt.

Auf Folgefrage folgen Folgefragen. Wir nehmen das hier einfach an, schliesslich gefallen sie sich, sonst hätte das ganze ja gar keinen Sinn. Sie finden plötzlich heraus, dass sie gewisse Menschen gemeinsam kennen, dass es ein Zufall war, dass sie sich noch nie gesehen hatten. Oder vielleicht merkt der Junge auch, dass sie ihm schon die ganze Zeit bekannt vorkommt. Ein Gespräch haben sie aber noch nie geführt, oder sie haben auch noch nie einen Kaffee zusammen getrunken. Besonders auch nicht, weil das Mädchen gar keine Kaffee trinken würde. Doch solche Tatsachen sind natürlich absolut variabel.

Sagen wir, sie haben noch ein wenig mehr als eine halbe Stunde Zeit sich näher zu kommen. Die restlichen Fahrgäste müssten davon überzeugt sein, dass die Beiden sich schon länger kennen. „Die studieren bestimmt zusammen,... sie fahren gemeinsam zu Freunden in die Ferien,... ach.. die Beiden? Frisch verliebt würde ich sagen“, würde eine Umfrage bestätigen. Aber wie sollte es weiter gehen? Das Mädchen war doch verabredet und des Jungen Eltern warteten schon mit dem Abendessen auf ihren Sohn. Also muss im Zug, während der Fahrt der Abschluss kommen. Nun ja, ein Abschluss, ein Happy End, das noch kein Ende wäre, sondern erst der Anfang.

Diesmal soll es jedoch am Mädchen liegen, ihr flog ja bis anhin alles zu. Die soll auch noch etwas dafür tun, dass sie sich gerade in eine wunderbare Beziehung verflechten liess. „Wann gehst du wieder zurück?“ Das wäre eine super Frage. Ein gemeinsames retour wäre perfekt. Dann könnte man sie freudig am Bahnhof warten und nervös werden lassen. Beide wären gespannt, ob der andere wirklich auftauchen würde. Und wir hätten mehr Fahrzeit uns die Geschichte noch kitschiger und doch realistisch auszumalen. Perfekt würde das für alle Beteiligten funktionieren. Aber wieso sollte der Junge schon wieder zurück, wenn er erst gerade nach Hause ginge? Entweder müsste man die Geschichte in den Details umschreiben, oder er würde es romantischerweise für das Mädchen tun. Er würde einen Grund finden, wieder abzudüsen und das Mädchen fände genug Beschäftigung bis spät in den Abend zu warten, damit sie mit ihm gemeinsam zurück und in ein gemeinsames Leben fahren konnte. Bleiben wir also etwas unrealistisch und etwas verrückt, damit wir eine wunderschöne Abschlussszene kriegen. Wir würden das Ende offen lassen.

Sie würden sich schüchtern und voller Hoffnung am Bahnhof verabschieden. Und Beide einen angespannten und so prickelnden Abend verbringen, bis sie wieder an den Ort des Abschieds und Wiedersehens eintrafen. Wir haben dieses faszinierende Bild von den Beiden, wie das Mädchen dastehen würde, wartend und hungrig nach Liebe und dem Jungen und wie er dann kommen würde und ein Lächeln sich breit macht auf seinen Lippen, die das Mädchen am Liebsten abküssen würden. Und dann zoom raus. Der Rest der Geschichte gehört dann nur noch den Beiden. Wie sie lieben und leiden, wie sie lachen und weinen, wie sie verlieren und gewinnen. Wir würden gar niemals erfahren, ob es wirklich funktionierte. Und doch kann uns genau das egal sein, denn wir hätten den schönsten Teil der Geschichte. Denn ist der Anfang nicht immer das Schönste, wenn man den Schluss noch nicht kennt?

Laney W.
Gast


Nach oben Nach unten

Nach oben


Unorte :: Unorte :: Unorte

 
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten