2 UNORTErinnen für M

Lieber M - stop -
technische installation abgeschlossen - stop - bildtransfer erwünscht - stop - erwarten instruktionen - stop - gruss - stop - agentin a unb b stop

b hat schon lange wachgelegen, als der wecker losgeht. darüber nachgedacht, was heute so abgehen könnte. was M mit seiner kryptischen nachricht - "es geht raus" wohl gemeint hat? was soll sie heute anziehen? wann geht der zug? ... und später sitzt sie im zug und erst eine haltestelle vor zürich fällt ihr auf, dass sie weder geld noch ausweise bei sich hat, bloss diesen dummen laptop und ihr handy mit dem sbb-billett. verd ...

a hat fleissig ballaststoffreiche brötchen gestrichen. sich keine gedanken über das was und wo und mit wem gemacht. ist einfach aus der wohnung heraus-, am in seinem wohnzimmersessel rauchenden garage egger-typ vorbei-, spaziert. sie hat den kleinsten schwarzen rucksack, den kleinsten schwarzen schirm mitgenommen, trägt nur schwarze kleidung, wie ein kleiner schwarzer schreibstift - ohne ballast, nur ihre weissen finger wie eine bleistiftmine, bereit fleissig über weisse papierbögen zu gleiten.

und dann kommt M - wie gesagt, virtuell, angetanzt. UNORTE sind sein begehr. multimedia seine lust. neues seine gier. uns alle zu verkoppeln seine absicht. ratlos sitzen a und b im UNORT und starren auf den schwamm. was jetzt?

"ich muss nochmals nach hause, ausweise und so." b klappt energisch ihr netboock auf und loggt sich ein. "gleich geh ich."
a stiert noch immer den schwamm an, fassungslos, weil UNORTE ihr gänsehaut über den rücken jagt. sie ahnt unheimliches! etwas, das ihr unter die haut gehen wird. "mhm. mhm. ja, ich muss auch nochmals heim. der klein-a und seine hausaufgaben, du weisst schon."
b tippt immer noch, kneift die kurzsichtigen augen zusammen. "verflixt, ich seh nix. dann gehen wir zusammen?"
"mhm, ja, mhm, ich weiss bloss nicht, wie das geht, das mit dem multimedia. wie soll ich denn das machen? ich hab keinen laptop."
"da schau, da schreibst, da lädst das bild - hergott nochmal - wie geht jetzt das, das geht gar nicht. wie mach das bloss. wir müssen jetzt zum zug." b wird nervös und nervöser. und findet keine lösung für ihr bilderprobelm. sie versucht gedanklich an sich die ordnung der vergessenen dinge wieder herzustellen, aber steckt mit beiden händen schon bis zu den ellebogen im UNORTjet an ihrem laptop. schliesslich reisst sie sich los und sie gehen zum tram. "jetzt aber erst mal hallokaffee", meint a sehnsüchtig und b ist sowas von einverstanden.

so landen sie bewaffnet mit kaffee und hallo-lachs-wraps auf einer mamorbank im zürcher hauptbahnhof ...

Wie geht es weiter? Schaffen a und b es sicher nach Hause und dann an einen wahrhaftigen Unort??

a und b rafften alle tüten, kaffeebecher und taschen und rannten die rolltreppe hinunter. Irgendwie hatten sie sich mit vollen Mündern verplaudert. Die S-Bahn stand da, sie sprangen hinein. Oberer erster Vierer. Alles mit sich selbst auf die Sitze fallen lassen. Eine junge Frau bleibt vor dem Treppenabgang stehen,deht sich um und schaut a an. „Shut up heisst nicht zumachen sondern aufmachen. Nein ich habe überhaupt kein Problem. im übrigen sie sind leicht übergewichtig. Einen schönen Tag noch.“ b schaut a an. Alle anderen schauen abwechselnd a und die Frau an. Die Frau stürz sich im Kurztrippelschritt die Treppe hinunter. Unirritiert beisst a in ihren Lachswrap und spült alles mit einem helvetisch rotweisspapbebecherten Kaffee herunter. a denkt – Untage könnten spannend werden.
a und b raffen alle tüten und steigen aus. Raus in die Strassen ihrer Häuser, ihrer Familien, ihres Alltages. Schnell werden alle Aufgaben dort erledigt, um sich dreissig Minuten später wieder am Bahnhof zu Mission Unorte zu treffen. b ist zuerst da. Hat Tüten und Taschen zu einem riesigen Rollkoffer gewechselt. Ausgestattet mit 2 Laptops, Ladegeräten, Verlängerungskabeln, USB Anschlüsen, Getränken und Schreibmateriallien. a tänzelt mit einem Bauchtäschchen daher. Ein keines Notizbuch, einen Bleistiftstummel und ihren Fotoapparat dabei. Strahlend steigen sie in die S Bahn zurück ein. Die Unortung kann starten.

nach erfolgreich erledigter auf- und um-rüstung erscheint der bahnhof altstetten der geeignete punkt um die fahndung nach UNORTEN zu starten. a und b installieren sich im hintersten wagen der linie 4, das separé am wagenschwanz mit sicht auf hinter ihnen liegendes.

b packt ihr arsenal an laptops, netbooks, iphone und usb-kabel aus, vernetzt, verlinkt, verkoppelt sich.
a installiert sich gemütlich mit grünem notizheftchen und rosa bleistiftstummel, rosa fotoapparat und ihren riesengrossen, graublauen augen, die alles hinter ihnen liegende begierig aufnehmen.

„Würzgraben“, notiert sie und knipst, „Toni Areal“, knips, „Central“, knips, „Höschgasse“, knips, knips, knips.
noch haben die beiden nicht herausgefunden, wie sie die bilder hochladen können. b tippt, googelt und flucht:
„ich komm nicht weiter! da soll ein link rein, hab ich aber nicht. ich schreib M an, er soll uns hilfe schicken.“
ein paar haltestellen weiter stellt sie empört fest:
„M meldet sich nicht.“

Da, da bin ich, da!

endich sollte die entscheidungsfindung ortbar werden. egal „M“ hin oder her. machen wir ohne ihn weiter. „schau doch mal so viele tolle orte“ sagt a zu b. „je- jetzt bin ich drin“ ruft b durch die strassenbahn.
„Shut up heisst nicht zumachen, es heisst aufmachen.“ ertönt es aus dem Menschengewimmel in der Bahn. Die junge Frau steht wieder vor a und b. Alle drei starren sich an. „Nein, ich habe überhaupt kein problem und im übrigen haben sie ein ganz klein wenig übergewicht. Die fremde frau lächelt nicht. „einen schönen tag noch.“ das tram hält und sie steigt hüpfend aus.
b hat hecktisch alle geräte an sich gerissen, klemmt sich verkrampfend den koffer unter die beine und macht sich mit einem lufteinziehenden atemzug ganz dünn. a schlägt die beine übereinander und lacht. ein klein bisschen hat sie ja recht.
b klappt den laptop zu, wirft die kabel in den koffer. „wir brauchen etwas zu trinken.“ Der zug, die bahn, diese fahrbaren orte haben beide vollgestopft mit eindrücken, bildern und worten. es braucht etwas flüssigkeit , um alles in fluss zu bringen.
Unter einer betonbrücke verlassen sie den fahrenden ort. sofort tauchen sie in ein neues meer von unorten ein. ihre schritte werden leichter,die zeit spielt keine rolle mehr. unwillkürlich haben sie begonnen einem unsichtbaren drang zu folgen ungeortetes zu entdecken. es beginnt dunkel zu werden auf den strassen. lichter locken ihre blicke zu sich herein. eine loftbar im kreis 5 breitet mit riesigen fenstern seine arme vor ihnen aus.
a und b lassen sich von ihnen umarmen. Treten ein in einen ort voller bücher, alter tische, tuschelnder insassen,alter und junger frauen,alleinsitzende junge männer auf mit fellen behangenen stühlen,gerüchen nach früchten und kaffee. gutem kaffee, exotischen früchten. ein unort im sinne von vielfalt und gelassenheit.
herrlich denkt a und schwingt sich auf die galerie zum ersten freien tisch direkt am endlosen fenster.


b rollt mit dem koffer heran. ohne eine sekunde zu zögern beginnt sie alle geräte aufzustapeln.


a träumt mit dem blick ihrer grossen graublauen augen zum fenster hinaus. Woran denkt sie?

unortig hinter glas

hinter glas sehe ich dich neben mir
deine schulter lehnt an meiner seite
dein haar streift das meine
dein arm legt sich um meine arme

hinter glas sehe ich dich in mir
deine hände streicheln meine haut
dein mund küsst den meinen
dein bein legt sich über meine beine

hinter glas sehe ich dich
dein in mein
du in mir
eins

Redaktio schrieb:Da, da bin ich, da!

"M hin oder her, jetzt machen wir's auf unsere unart ..."

b installiert sich in den luftigen sphären-höhen der galerie. um das kleine hüngerlin zu stillen, haben sie bei dem verwirrten kellner nachos bestellt. das ist vor einer ganzen weile gewesen.

bei blauer heidelbeer-gazosa und waldmeistersirup fragen sich die beiden agentinnen unterdessen, wie sie M ihre unortentlichen bilder bloss übermitteln könnten.
„wir fragen c und d“, schlägt a vor.
„ich frage mich, wo die nachos verortet sind“, brummt b.
„Shut up heisst nicht zumachen, es heisst aufmachen.“
„ooohhh!“ stöhnt b.
„nein, ich habe überhaupt kein problem und im übrigen haben sie ein ganz klein wenig übergewicht. einen schönen tag noch.“
„unart.“ b schiebt elsa ein stück von sich, während sie der frau vom zug nachschaut, wie sie zwischen den sphärischen bücherregalen entschwindet. „ob die uns beschattet?“

a’s schreckenslaut lässt b herumfahren. ihre iphone hat sich aller usb-verbindungen entledigt und strebt dem drei meter tiefer liegenden ortsboden zu.
„da kann ich auch gleich fragen, ob die nachos schon geortet wurden.“ b stapft die sphärische treppe hinunter.

Trotz des kabelsalates, leeren akkus und zerschmetterten handy ist die stimmung locker, die gläser leergetrunken und der ort urgemütlich. a und b liegen auf ihre unterarme gestützt auf den tisch gelehnt. c und d haben ihre Unortetour zu a und b umgeortet.
Ein fröhlicher austausch über Unortungen aller art wird bei einem bier erörtet. pläne für den nächsten tag werden verortet.
Alle Unortigkeiten verlegen sich in die Gedanken der Unortinanten. Die nächte der ungeschriebenen Geschichten beginnen.....